Tu Quoque – Exhibition as Desired Space
Asymmetrien zwischen dem Imaginieren von Ausstellungssituationen, Äußerungen und deren Repräsentationen spiegeln das Kreuzfeuer einer vielleicht hitzigen Unterhaltung über ein Kunstwerk im Ausstellungsraum. So könnte eine erste Assoziation ausfallen. So könnte ein Ausgangsszenario dieser Arbeit aussehen.
In Jennifer Gelardos Arbeit Tu Quoque – Exhibition as Desired Space – entfällt der faktische Ausstellungsraum gleich zwei Mal: in einem von Gelardo konzipierten Scheinspiel wird er zum Spekulationsobjekt und ist in der 2020 für den Projektraum 63rd-77th Steps produzierten Online-Version gar nicht erst vorhanden. So wohnen wir, die Betrachter_innen, nun über unserem Bildschirm einem Spielverlauf bei, den wir durch weiterklicken zwar in seiner Geschwindigkeit, nicht aber in seinem Inhalt steuern können. Drei Teilnehmer_innen, genauer gesagt deren uns gezeigten Hände, werden von einer Spielleiter_in mit dem Regelwerk betraut: Jede_r Teilnehmer_in wählt eine plattenförmige Spielfigur unterschiedlicher Farbe sowie eine ebenfalls farbige Murmel, die eine „rhetorische Figur“ symbolisiert und die die individuelle Handlungsweise für die Spielenden vorgibt.
Das Ziel des Spiels ist die Deutungshoheit darüber, wie der erträumte Idealraum auszusehen hätte. Das Spiel ist gewonnen, wenn ein_e Spieler_in die Argumente einer anderen Teilnehmerin/eines anderen Teilnehmers benutzt. Die in dieser Spielrunde gewählten rhetorischen Figuren lauten „Die falsche Schlussfolgerung“, „Der Appell an Emotionen“ und „Das falsche Dilemma“. Was wir innerhalb dieser – unter wissenschaftlichen Aspekten getarnten – künstlerischen Intervention erfahren, ist gewissermaßen die Umkehrung einer Beobachtung von Personen in einer künstlichen Situation. So sind es gerade die vorgegebenen Rollen, folglich die gespielten Argumentationen, die die Reste der ent-individualisierten Charaktere erhalten. Diese dem Gesellschaftsspiel geschuldete Eigenschaft ist es, die den Moment des argumentativen Strauchelns erzwingt, indem die rhetorischen Strategien des Überzeugens nicht selten ins Absurde geraten.
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words by Maximilian Klawitter, München 2021